Immer wieder einmal gibt es Bands, die versuchen völlig aus den bestehenden Mustern auszubrechen und etwas gänzlich Eigenes zu schaffen. Die allermeisten scheitern daran. Ab und an bringt jedoch eine Band den nötigen Enthusiasmus und die Kreativität dafür mit – und KONTRUST packen gleich noch einen gehörigen Schuss Wahnsinn dazu. „Second Hand Wonderland“ ist die dritte Scheibe des Septetts um das Sängerduo Stefan und Agate, die Vorängeralbum waren das 2005 erschienene „Welcome Home“ und „Time to Tango“ (2009), das auch auf Polnisch erhältlich ist.
Beim Trip durch ihr musikalisches Wunderland erreicht man sich früher oder später unweigerlich den Punkt an dem man sich die Frage stellt, was zur Hölle die Musiker da eigentlich tun. Schon das Heidi-mäßige Intro zum Opener „Sock’n’Doll“ wirkt ziemlich skurril, der offiziellen Videoclip zu dem Song zeigt darüber hinaus auch noch abrockende Handpuppen in Dirndl und Lederhosen. An „Second Hand Wonderland“ darf man nicht mit bitterem Ernst herangehen, doch wenn man sich auf das Album einlässt offenbart sich ein Ohrwurm nach dem anderen, mitreißender Groove und jede Menge Dynamik. Im vergangenen Monat war die Band gemeinsam mit den APOKALYPTISCHEN REITERN quer durch Deutschland unterwegs und hat dabei gezeigt, dass die Songs auch live unglaublich viel Energie und absolutes Partypotential haben.
Die kunterbunte Mischung aus (Nu)Metal, Reggae, Pop, Funk, Dance, die die Wiener in der knappen Dreiviertelstunde präsentieren, ist zweifellos durchgeknallt, bringt aber einen nahezu unschlagbaren Gute-Laune-Faktor mit sich. Nach Mainstreamdisco-tauglichen Dancesounds dröhnen einem wieder fette Gitarren um die Ohren und auch der Gesang variiert beträchtlich zwischen beinahe gerappten Passagen und Stellen, an denen er metalangemessen düster wird. Damit stehen KONTRUST in gewisser Weise im Zeichen der altgedienten Finnen von WALTARI, die als Vorreitern der genreübergreifenden Musik den Begriff Crossover mit definiert haben – und Crossover ist wohl so ziemlich die einzige Schublade, in die man KONTRUST packen könnte.
Irgendwo scheint aber tatsächlich ein Konzept dahinterzustecken, denn aus irgendeinem absurden Grund gelingt die Mischung, während sich viele andere Bands schon mit weit weniger gewagten Kombinationen ins Aus katapultiert haben. In der heutigen Zeit schwer genug, überhaupt noch innovative zu sein – aber den Österreichern gelingt es eindeutig, auch wenn sie das Publikum mit ihrer Musik vermutlich spalten werden. „Second Hand Wonderland“ ist absolut nichts für Rock/Metalpuristen, bringt ab er eine gehörige Portion Spaß mit sich. Einfach stark!
Anspieltipps:
Sock’n’Doll
U say what
Tracklist:
1. Sock’n’Doll
2. Falling
3. Monkey Boy
4. U Say What
5. The Butterfly Defect
6. Rasputin
7. Bad Betrayer
8. Adrenalin
9. Hocus Pocus
10. Raise Me Up
11. Hey DJ!
12. Police