Estampie – Secrets of the North (CD-Review)

Estampie - Secrets of the north

Das erste ESTAMPIE-Studioalbum nach acht Jahren – da durfe man entsprechend gespannt sein. Die Spannung löste sich positiv auf: Der Band ist mit „Secrets of the North“ ein mehr als nur gutes Comeback gelungen.

Aber was heißt eigentlich Comeback? Es ist ja nicht so, daß sich die Münchner in den acht Jahren nun wirklich rar gemacht hätten. Sowohl mit ESTAMPIE als auch mit ihren diversen anderen Projekten war die Band regelmäßig auf Festivals live zu erleben, mit dem AL ANDALUZ PROJECT veröffentlichte man eine neue DVD und mit dem Gesangs-Ensemble VOCAME ein neues Album.

Dieses Mehrfachengagement nennt die Band dann auch als Hauptgrund für die lange Verzögerung des Albums, denn eigentlich hätte „Secrets of the North“ bereits im Herbst 2011 erscheinen sollen. Insgesamt zog sich der Produktionsprozeß über mehr als zwei Jahre. Neben all den anderen Projekten war es aber auch die Einarbeitung in ein neues Musikfeld, die die Band vor ungewohnte Schwierigkeiten stellte. Zum ersten Mal nämlich wenden ESTAMPIE auf dem neuen Album den Blick nordwärts und bedienen sich aus dem reichhaltigen Sagen- und Musikschatz Skandinaviens.

Von Trollen, Nymphen und ähnlich phantastischen Wesen handeln dann auch viele der Lieder, die Michael Popp, Siggi Hausen und Co in der Hauptsache aus schwedischen Archiven ausgegraben haben. Dabei vereinte die Band zum Teil verschiedene Überlieferungstraditionen der Stücke in einer Version oder kombinierte die Texte mit traditionellen Instrumentals wie Polskas oder Hallings.

Entstanden ist dabei ein vielschichtiges Album, das eine neue Seite von ESTAMPIE präsentiert, ohne daß die Band sich jedoch dabei selbst untreu wird. Ganz im Gegenteil – die Münchner klingen sich ähnlicher denn je. So erinnert das Album in vielen Momenten an die alten „Crusaders“-Zeiten, was zu einem nicht unerheblichen Teil dem druckvollen Zugposaunenspiel von Cas Gevers zu verdanken ist, der ja bereits damals viel zum charakteristischen Sound der Band beigetragen hat. Musikalische Unterstützung im Studio erhielt die Band außerdem von Boris Koller (Nyckelharpa und Skandinavienexpertise), Leo Bock (Geita) und Jost-H. Hecker (Cello), und natürlich ist auch Langzeit-Live-Unterstützung Sarah M. Newmann nun erstmals als vollwertiges Bandmitglied auf einem Studioalbum vertreten.

Fazit: Ein Werk, das den Hörer durch seine Kraft sofort gefangen nimmt und auf eine mystische Reise in den Norden unseres Kontinents entführt. Angesichts der Tatsache, daß nicht ein Song auf dem Album auch nur ansatzweise langweilt, müssen die üblichen Anspieltipps an dieser Stelle entfallen, die Entscheidung fällt einfach zu schwer. „Secrets of the North“ dürfte sowohl alte Fans der Band überzeugen als auch neue Anhänger gewinnen. ESTAMPIE at their best!

Tracklist:

1.    Linden so grön
2.    Marmorstener
3.    Harpans Kraft
4.    Frau Silver
5.    Ungersven
6.    Ramunder
7.    Konvulsionlåten
8.    Aurora
9.    Den Bergtagna
10.    Hakan hök
11.    Orepolska

[Banshee Records/Alive]

Florian Hessler

Über Florian Hessler

Archäologe, Historiker und freier Journalist (u.a. Zillo Medieval, Sonic Seducer, Miroque, Metal-District, Piranha) floh.hessler(at)schubladenfrei.de
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