Irischer Folk muss nicht unbedingt zwingend irisch klingen. Die drei McLaughlin-Schwestern Karen, Lorna und Joleen aka THE HENRY GIRLS flirten auch auf ihrem sechsten Studioalbum lieber wieder mit der Musikwelt jenseits des großen Teichs – zuckersüß, aber nicht klebrig.
„Stell Dir vor, ALTAN treffen auf die DIXIE CHICKS”, so beschreiben es die Kollegen vom „Irish Echo“. Dem Bild würde ich allerdings nicht ganz zustimmen. Natürlich trifft hier einerseits die irische Balladentradition auf Americana- und Bluegrass-Klänge, letztere sind aber deutlich im Vordergrund. Das ist an sich ja auch nichts Irland-untypisches, denn wer sich einmal längere Zeit in den Pubs auf der Insel herumgetrieben hat, der weiß, dass Country-Music dort vor allem live recht beliebt ist. Und schließlich haben sich ja beide Genres schon immer gegenseitig befruchtet, zuerst in der einen und dann in der anderen Richtung. Der Vergleich zu den DIXIE CHICKS drängt sich natürlich durch den mehrstimmigen Gesang der Damen mehr als auf. Von der irischen Seite sehe ich die Band aber weniger in der Nähe von Traditionalisten wie ALTAN als vielmehr der dortigen modernen Singer-/Songwriter-Szene oder auch Bands wie CLANNAD oder CAPERCAILLIE (wobei letztere natürlich Schotten sind). Da verwundert es dann nicht zu lesen, dass die Band erstere zu ihren Vorbildern zählt und der fürs neue Album verantwortliche Produzent, Calum Malcolm, bereits mit beiden genannten Acts zusammengearbeitet hat.
Mit den genannten Stil-Einflüssen hört es aber noch nicht auf. Bei Songs wie „Don’t Call Me Honey“ und dem großartigen Abschluss-Stück „I’m Your Baby“ finden sich muntere Swing- und Boogie-Basslines, die das Tanzbein zucken lassen und von denen man sich fast noch mehr wünschen würde. Auch ein Schuss Pop ist natürlich dabei, was in Verbindung mit den wunderschön gesungenen Harmonien und vor allem der recht geschliffenen Produktion das Ganze für manche Ohren vielleicht insgesamt ein wenig zu süßlich klingen lässt. Ins wirklich Kitschige oder gar Seichte driftet die Musik der HENRY GIRLS allerdings aber in keinem Moment ab, dazu ist die Musik einfach zu gut. Stellenweise ist diese „Süße“ allerdings auch nicht ganz unproblematisch, denn die Schwestern packen in ihren Songs durchaus auch schwere Themen an, wie Frauenrechte oder das Schicksal der Kriegsflüchtlinge auf dem Mittelmeer. Während der poppige Nashville-Sound bei „Rebel Girl“ noch recht gut funktioniert, ist mir „Ocean of War“ dann aber doch fast ein bisschen zu schön. Vielleicht liegt es in dem Fall allerdings auch ein wenig am Song selbst, denn dass sie auch durchaus melancholischer können, zeigt beispielsweise „More Love, More Silence“.
Fazit: Von beidseits des Atlantiks inspirierter, musikalisch hochklassiger und abwechslungsreicher Folk-Pop mit durchaus vorhandenem Tiefgang, der möglicherweise etwas zu gefällig produziert daherkommt. Aber auch wenn ein paar mehr Ecken und Kanten vielleicht hie und da wünschenswert wären, allein das Zusammenspiel der drei wundervollen Stimmen macht das Album schon wirklich hörenswert!
THE HENRY GIRLS
Far Beyond The Stars
Beste! Unterhaltung
VÖ: 21.04.2017
Tracklist:
01. Oh Why
02. A Friend Like You
03. Down By The River
04. More Love, More Silence
05. Far Beyond The Stars
06. Ocean of War
07. Rebel Girl
08. Don’t Call Me Honey
09. Slow Down
10. Falling In Love Again
11. No More Maybes
12. Satisfied mind
13. I’m Your Baby