Anfang Oktober veröffentlichte das AL ANDALUZ PROJECT sein drittes Studioalbum „Salam“ und tourt seitdem mit dem neuen Material durch deutsche Lande. Über den Tourauftakt in der Nürnberger Tafelhalle haben wir Euch ja bereits berichtet. Vor zwei Wochen machte das multikulturelle Ensemble nun auch Station in der Hauptstadt.
Der Veranstaltungsort zählt zu den eher kleinen Bühnen in Berlin und erinnert durch die bequeme Bestuhlung mit Sesselreihen an einen nostalgischem Theater- oder Kinosaal. Für Band und Publikum ergab sich so eine intime, beinahe kammermusikalische Atmosphäre. Unter den etwa 150 Besuchern fanden sich recht wenige als solche erkennbare Mittelalterfans, man hatte eher den Eindruck, dass an diesem Abend das Bildungsbürgertum die Mehrheit der Besucher stellte. Auffällig, wenn auch für Berlin kaum überraschend, war auch der hohe Anteil der spanischen Zuschauer.
„Conferencier“ Michael Popp bemängelte zwar zu Beginn den „Publikumsschwund“ im Gegensatz zum Auftritt in Dresden Tage zuvor, führte aber trotzdem gut gelaunt durch den Abend. Der Meister zeigte sich an diesem Abend auch zu vielen Scherzen aufgelegt. So kündigte er Mitstreiterin Sigi Hausen etwa mit den Worten „die schönste Stimme des deutschen Mittelalters – also irgendwo zwischen 30 und 40“ an und setzte nach deren leicht indignierter Reaktion gleich noch einen drauf: „Sei froh, dass ich nicht vom Altertum gesprochen habe!“
Alles nur Frotzelei natürlich, man merkte es den Protagonisten deutlich an, dass sie sich nicht nur auf der Bühne bestens verstehen. Musikalisch stimmte – vielleicht genau deshalb – die Chemie natürlich auch, und so boten AL ANDALUZ PROJECT einmal mehr Hörgenuß der Sonderklasse. Ganz im Sinne ihrer neuen CD, deren Titel übersetzt „Frieden“ heißt, demonstrierten sie an diesem Abend überzeugend, dass ein friedliches Neben- und Miteinander dreier unterschiedlicher Kultu ren und Weltreligionen möglich ist und die Musik dafür ein wunderbarer Schlüssel sein kann. Im Mittelpunkt standen dabei ganz klar die drei Sängerinnen: ob der sehnsuchtsvoll-leidenschaftliche Gesang der jungen Marokkanerin Iman Kandoussi, die helle Klarheit von Sigrid Hausen oder das spanisch-sephardische Feuer von Mara Aranda – jede der Damen konnte für sich allein schon völlig überzeugen. Am packendsten waren jedoch die Momente, in denen die drei Ausnahmestimmen zusammen zu hören waren.
Unterstützt wurden sie dabei aufs Beste von ihren männlichen Mitstreitern. Besonders Aziz Samsaouis virtuose Performance an der Kanun (orientalischen Zither) oder der Oud (arabische Kurzhals-Laute) sorgte immer wieder für Zwischenapplaus. Die Oud spielte an diesem Abend auch Multiinstrumentalist Michael Popp, der daneben auch an der Saz (orientalische Langhalslaute), der Santur (persisches Hackbrett) oder der Dilruba (indisches Streichinstrument) glänzte. Für den richtigen Rhythmus sorgte Sascha Gotowtschikow. Der studierte Percussionist spielt neben seinen Mittelalterprojekten übrigens auch in zahlreichen Jazz-Formationen, so unter anderem bei Klaus Doldingers PASSPORT. Der Spanier Jota Martinez an verschiedenen Lauten und Perkussionsinstrumenten und Ernst Schwindl an der Drehleier komplettierten den instrumentalen Reigen.
Unnötig zu sagen, dass das Publikum im grünen Salon die Gruppe nach dem letzten Song nicht so einfach von der Bühne lassen wollte, und die Musiker hatten auch keine Möglichkeit sich heimlich zu verdrücken. Die Tür neben der Bühne führte nämlich lediglich in ein kleines Kämmerlein, das keinen weiteren Ausgang besaß. So bemerkte Michael Popp bei den Zugaben dann auch ironisch: „Wer die Örtlichkeiten kennt, der wußte ja, dass wir noch einmal zurück kommen. Wir hatten ja gar keine andere Wahl – da drin sind nämlich nur zwei mal zwei Meter Platz, da bekommt man ja Platzangst.“ Wie schon in Nürnberg beschlossen AL ANDALUZ PROJECT den Abend mit „El Rey de Francia“ vom neuen Album. Beim Tourstart noch ein Experiment hat die sephardische Adaption einer griechischen Ballade inzwischen anscheinend ihren festen Platz im Programm gefunden und setzte einen wunderbaren Schlußpunkt unter eines der für mich schönsten Konzerte des Jahres.