Oliver Rohrbeck ist nicht nur bei Hörspielfreunden inzwischen eine Art Kultfigur. Ob als erster Detektiv Justus Jonas bei den legendären Drei Fragezeichen, als Stimme des kleinen Drachen Grisu, der unbedingt Feuerwehrmann werden wollte, oder als Synchronstimme von Schauspielern wie Ben Stiller und Mike „Wayne“ Myers – der gebürtige Berliner prägte die Hörwelt einer ganzen Generation. Seine Lauscherlounge feiert in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen.
Rohrbeck ist jedoch schon weit länger als Sprecher aktiv. Bereits im zarten Alter von sieben Jahren war er in Fernsehproduktionen wie der „Sesamstraße“ zu sehen. Seit dieser Zeit arbeitete er neben der Schule als Synchron- und Hörspielsprecher aber auch als Schauspieler. Nachdem er 1978 Marcus Harris als Julian in der britischen Fernsehserie „Fünf Freunde“ synchronisiert hatte, sprach er die Rolle auch in der Hörspielbearbeitung von Europa. In der Folge bot ihm Regisseurin Heikedine Körting eine Hauptrolle in der Vertonung einer Jugendbuchreihe um drei Jungdetektive aus dem kalifornischen Rocky Beach an – der Rest ist Hörspiel-Geschichte. 2003 gründete er zusammen mit dem Kaufmann Kai Schenker und dem Radiomacher Grischa Sedelke die Lauscherlounge, um dem Berliner Publikum fortan Live-Hörveranstaltungen in kleinem Rahmen zu bieten. Ab dem Jahr 2004 präsentierte das Team regelmäßige Veranstaltungen in der Alten Kantine in der Kulturbrauerei Berlin, eine Tradition die auch neun Jahre später noch ungebrochen ist – jeden letzten Freitag im Monat. 2005 erweiterte sich das Ganze mit der ersten eigenen Veröffentlichung – dem Mitschnitt des Livehörspiels „Treck nach Westen“ – zum Hörspielverlag; 2007 kam ein eigenes Studio dazu. An diesem Wochenende feierte die Lauscherlounge ihren runden Geburtstag mit einem Tag der offenen Tür in den heiligen Hallen in Berlin Kreuzberg.
Der Weg zum Hauptquartier der Lauscherlounge und des Hörspielstudios XBerg führte – Leser aus der Hauptstadt werden es ahnen – über mehrere Hinterhöfe (dit is hier eben so) und viele Treppen. Doch die Anstrengung lohnte, denn schließlich betrat man ein von Licht und Luft durchflutetes Dachgeschoß hoch über Kreuzberg, das einen schon beim ersten Blick ein wenig neidisch auf die Arbeitsatmosphäre werden ließ. Und à propos Atmosphäre: Die Mitarbeiter der Lauscherlounge hatten sich wirklich Mühe gegeben, ihre Gäste an diesem Tag willkommen zu heißen. Überall standen kleine Snacks in Form von Knabberzeug, Obstsalatbechern, Senf-Honig-Blätterteigschnecken und selbst gebackenem Kuchen. Oliver Rohrbeck wuselte derweil zwischen den Anwesenden umher, hatte für jeden eine freundliche Begrüßung und beantwortete geduldig jede Frage. Da ist jemand trotz Kultstatus einfach mal zu 100% auf dem Teppich geblieben. Für regelmäßige Besucher der inzwischen deutschlandweit stattfindenden Lauscherlounge-Live-Veranstaltungen ist das zwar sicherlich keine Neuigkeit, trotzdem an dieser Stelle einmal mehr: Respekt!
Neben der Chance, den Hörspielmachern an diesem Tag ganz persönlich zu begegnen, erhielt man auch eine Menge interessante Einblicke in die Hörspiel- und Hörbuchproduktion, und vor allem auch in die Unterschiede zwischen den beiden Genres. Während Hörbücher von den Sprechern im Studio im Sitzen gelesen werden – eingerahmt von jeder Menge Schallschutzelementen für möglichst wenig Raumklang auf der Aufnahme – arbeiten die Sprecher bei den Hörspielen meist im Stehen, um während der Aufnahmen auch Körpergeräusche einzufangen. So ist das größere der beiden Studios in der Kreuzberger Waldemarstraße beispielsweise mit einem Holzfußboden ausgestattet, was für ein Tonstudio eher ungewöhnlich ist. „So haben wir aber wunderbar die Laufgeräusche und den Trittschall gleich mit drauf – beim Hörspiel ist ja alles echt“ grinst Johanna Steiner bei ihrer Führung durch die Büros und Produktionsräume. „Aber natürlich können wir den Aufnahmeraum auch jederzeit mit Teppich auslegen.“ Die junge Hörspielautorin, die mit ihrem Hörspiel „Übernacht“ bereits für den deutschen Hörbuchpreis nominiert war, ist bei der Lauscherlounge zudem für die Live-Events in der alten Kantine zuständig. Möglicherweise ist es die Liebe für die Live-Situation, die sie diese Stimmung auch im Studio bevorzugen lässt. „Normalerweise werden die Sprecher einzeln aufgenommen, das führt zu einer größeren Genauigkeit bei den einzelnen Takes. Ich bestehe bei meinen Produktionen so oft wie möglich darauf die Personen zusammen aufzunehmen“, erklärt sie. Aber natürlich würde man das von Fall zu Fall entscheiden, je nachdem worauf gerade Wert gelegt wird. Manchmal sei es eben die Konzentration auf den Einzelnen, manchmal eher auf die Chemie zwischen den Sprechern.“
Auf die Frage eines Besuchers, wie lange so eine Hörspielproduktion den dauert, erklärt Johanna, daß dies natürlich von der Länge und der Zahl der Rollen abhängig sei. Für ein durchschnittliches einstündiges Hörspiel müsse man für die Sprachaufnahmen etwa drei bis fünf Tage veranschlagen, dann folgt der Rohschnitt und das Soundesign. Anschließend sind der Komponist und der Geräuschemacher an der Reihe. Besonders die Arbeit mit letzterem ist für die Regisseurin immer ein großer Spaß, wie sie erzählt. „Der rückt dann immer hier an, mit dem gefühlten Inhalt von zwei Kellern, baut seinen Müllberg in der Mitte des Studios auf und produziert mit den unmöglichsten Dingen die benötigten Geräusche. Manchmal knie ich mich auf den Tisch vor der Scheibe um in den Aufnahmeraum zu schauen und zu sehen, wie zur Hölle er das jetzt gerade wieder gemacht hat.“ Danach landet das Material noch einmal im Schneideraum und erhält dort die endgültige Form. Dazu kommen dann noch die Gesatltung des Covers. Nach etwa vier bis fünf Wochen sei das Ganze dann schließlich fertig und gehe ins Presswerk, so Johanna.
Der große Aufwand macht so ein Hörspiel nicht eben billig in der Herstellung. Die Produktionskosten können da schnell an die 20.000 Euro gehen. Eigentlich müssten Hörspiele, die ja nach wie vor eher ein Nischenprodukt für eine eher kleine Gruppe von Liebhabern sind, dementsprechend 20 Euro kosten, der normale Konsument sei aber meist nicht bereit mehr als acht Euro für das Produkt zu bezahlen. Auf die Feststellung, dass kleine Verlage damit doch eigentlich schon längst pleite sein müssten, erklärt Johanna, dass man bei der Lauscherlounge mit einer Mischfinanzierung arbeitet. „Da stützt der Livesektor oft die CD-Produktion.“ Zudem mache man ja auch noch andere einträgliche Sachen, wie zum Beispiel die Lokalisation, also die deutschen Sprachaufnahmen, für Computerspiele.
Neben der sehr informativen Studioführung war der Höhepunkt des Programms mit Sicherheit die etwa halbstündige Songtextlesung, bei der neben Oli Rohrbeck auch Stefan Krause am Mikrofon stand. Der 55jährige ist wohl am bekannstesten als deutsche Stimme von Billy „Pippin“ Boyd aus den „Herr der Ringe“- Filmen und natürlich als Dana „Garth“ Carvey aus „Wayne’s World“. Hörspielfans kennen ihn unter anderem als Schloßgespenst „Hui Buh“ oder in der Rolle des Olivaro bei „Dorian Hunter“. Zusammen mit dem Gitarristen Dirk Wilhelm präsentierten die beiden Sprecher bekannte deutsche und englische Songs, letztere natürlich in Übersetzung. Neben MICHAEL JACKSONs „Triller“ oder MADONNAs „Wie eine Jungfrau“ waren die Highlights vor allem der 80er Klassiker „Beliebt in Japan“ von ALPHAVILLE, bei dem Stefan Krause mit Gong und herrlich asiatischem Akzent agierte, oder der OTIS READING – Klassiker „Ich sitz hier in der Bucht am Hafen“, den er im besten „Werner“-Norddeutsch zum besten gab.
Passend zum IDEAL-Song „Deine blauen Augen“ erzählte Oli Rohrbeck Ankedoten aus seiner Punkzeit und dem Leben in Kreuzberg zu Mauerzeiten. Sehr witzig war auch die Google-übersetze Version des REEL 2 REAL – Hits „Ich mag es zu bewegen“, die Oli im nasalen JAN DELAY-Style vortrug. Weniger spaßig als vielmehr Gänsehaut verursachend war dann zum Abschluß die sehr intensive Version von „Das Ende“ von den „TÜREN“.
Der Besuch im Hörspielstudio XBerg hat sich in jedem Fall gelohnt. Wir wünschen der Lauscherlounge weiterhin viel Erfolg und uns viele neue, tolle Hörspiele – auf die nächsten zehn Jahre!
Übrigens: die Songtext- und die Prima-Vista-Lesung, bei der ein wechselndes Sprecherduo mitgebrachte Texte des Publikums vorliest, sind nicht nur ein regelmäßiger Bestandteil der Live-Events in der alten Kantine in Berlin, sondern finden auch deutschlandweit statt.