Mitte 2011 haben FAUN mit Eden ein ganz phantastisches Stück Musik geschaffen. Seither hat sich im Hause FAUN einiges getan und das hört man dem Klang der neuen Scheibe auch an. Nun stehen romantische, deutsche Balladen im Zentrum der aktuellen Veröffentlichung „Von den Elben“. „Neue Ufer“ sind nun zu erkunden und die Band wird „sich in einem kreativen Prozess neuen Ideen […] stellen“, heißt es von Seiten des Labels. Das klingt reichlich passiv, was allerdings kein Wunder ist, stammen doch tatsächlich die meisten wirklich neuen Stücke nicht aus der Feder der Münchner. Doch gleich vorweg: Die Kritik, dass FAUN nun nicht mehr FAUN sei, ist trotzdem nur teils berechtigt. Sie sind es noch immer, auch wenn „Von den Elben“ sehr poplastig geworden ist und die Songs im Vergleich zu früher ihren erdigen Charakter verloren haben.
Mit dem Wind startet das Album beschwingt und locker. Der Song ist der Freiheit gewidmet, einem der wohl wichtigsten Werte überhaupt. Doch gerade für dieses Thema klingt das Lied nicht raumgreifend genug und lässt Tiefgang vermissen. Das Stück „Diese kalte Nacht“, die erste Single zum Album, beruht auf einer traditionellen Melodie und zeichnet sich vor allem durch sehr schöne Zwischenspiele auf der Harfe und tolle Drehleier aus. Überhaupt wertet Stephan Groth, der erst seit dem vergangenen Jahr Mitglied der Band ist, das Album sehr auf. Der träumerische Titeltrack „Von den Elben“ ist die Neuauflage eines Songs, der schon vor längerer Zeit von FAUN auf dem Album „Licht“ aufgenommen wurde. Die neue Version ist besonders durch die Flöten durchaus schön geworden und wirkt ziemlich natürlich.
Ein krasses Gegenteil dazu ist „Tanz mit mir“, das einzige Totalausfall des Albums. Das Duett mit SANTIANO handelt von einem Mann, der sich gerne mit Wein und Weib vergnügen möchte – und davon, was jenes Weib als Gegenleistung fordert. Durch das „hey“ im Hintergrund wirkt das Stück noch aufgesetzter. Zusammengefasst: Fürchterliches Schunkelmittelalter! Insgesamt ist der Song sehr primitiv und man muss es schon fast als positiv sehen, dass der Gesang von Björn Both übernommen würde – Oliver s.Tyr hätte in diese Rolle jedenfalls nicht gepasst. Jedoch hätte sein Gesangsanteil auf dem Album insgesamt ruhig etwas höher sein dürfen, wenn überhaupt übernimmt er eher die Backingvocals.
Ob es um das Mitwirken von Eric Fish, Bodenski oder von SANTIANO geht – sämtliche werden in den Songbeschreibungen erwähnt oder sogar auf dem Cover angepriesen. Dass es sich bei „Schrei es in die Winde“ aber um ein Cover von ELUVEITIEs „Omnos“ handelt erfährt man nur ganz am Ende des Booklets, wo die jeweiligen Rechteinhaber der Songs aufgeführt sind. Ob es daran liegt, dass es nicht zum neuen Image passt, eine (musikalisch ziemlich brillante) Schweizer Paganmetalband zu covern? Wie dem auch sei, der schnellerer Track tut dem Album gut. Zwar ist der deutsche Text nicht so völlig ideal und die Reime wirken stellenweise künstlich, doch das fällt nicht allzu sehr ins Gewicht. Dafür ist die vorwärtstreibende Melodie viel zu markant und gelungen, selbst wenn der Song nicht die volle Power entfaltet, die er eigentlich haben könnte. Man möchte stellenweise fast darauf verweisen, dass der Titel immerhin „Schrei es in die Winde“ und nicht „Säusel es in die Winde“ heißt. Überflüssig sind hier abermals die Chöre und unterlegten Instrumente, die das Stück eher belasten als aufwerten. Der gleiche Kritikpunkt gilt für die „Wilde Rose“, die wieder viel süßere Töne anschlägt und abermals auf einem Traditional („Siúil a ruin“, bekannt u.a. durch CELTIC WOMAN) beruht. Wie auf dem gesamten Album überhaupt tummelt sich in dem Song ein Sammelsurium an Gastmusikern, wobei es fraglich ist, ob das der CD wirklich dienlich ist. So singen im Chor die deutsche Singer-Songwriterin SYNJE NORLAND, BILLY KING und Andreas Fahnert von SANTIANO – darüber hinaus wurde die Gitarre von Dirk Schlag (TRUCK STOP) eingespielt.
Ruhiger als viele Genregenossen waren die Münchner ja schon immer, doch auf „Von den Elben“ erwartet den Hörer eine Liedersammlung, die leider schon eher kitschig als nur romantisch ist. In diese Schiene fällt auch „Wenn wir uns wiedersehen“, während das folgende „Bring mich nach Haus“ deutlich melancholischer ist. Das Stück erinnert lustigerweise an FEUERSCHWANZ mit ihrer Ballade „Des Kriegers Sohn“. Balladesk geht es anschließend mit „Welche Sprache spricht dein Herz“ weiter. Der filigrane Ohrwurm wurde von Simon Michael von SUBWAY TO SALLY geschrieben und ist sehr hübsch geworden. Lediglich die Gesangslinie zu Anfang des Refrains mutet etwas seltsam an und die Streicher hätte es nicht gebraucht.
An zehnter Stelle steht die Neuauflage eines absoluten FAUN-Klassikers. „Andro“ wurde ebenfalls 2003 auf Licht veröffentlicht und die Neuvertonung ist etwas druckvoller als die Originalversion. Stellenweise wirkt es zwar etwas übertrieben, ist aber immer noch schön. Ebenfalls ein Pluspunkt: Der Gesang wurde hier von Sonja Drakulich (STELLAMARA) übernommen, die bereits letzte Saison mit FAUN gemeinsam unterwegs war. So ist „Andro II“ mit Abstand das faunigste Stück auf dem Album. Auch das nächste Lied wurde bereits veröffentlicht – damals allerdings von SUBWAY TO SALLY, deren Frontmann Eric Fish nun auch im „Minne“-Duett mit Katja Moslehner zu hören ist. Die Aufnahme ist etwas schneller und pompöser als das Original – auch hier taucht wieder das bereits angesprochene Problem auf: Der Bombastuntergrund nimmt dem Stück, das gerade durch den Minimalismus so bezaubernd wird, einen Teil der Magie. Während der erste Teil sehr gut geworden ist gelingt der Perpektivwechsel nur bedingt.
„Thymian und Romarin“ basiert auf dem Traditional „Scarborough Fair“ und ist klassischen Themen gewidmet, auch wenn die Kräuter in diesem Song nur als Metapher dienen. Ungewohnter ist der Rhythmus des letzten Stücks „Warte auf mich“. Auch hier könnte man den Text interpretieren und schon fast als Plädoyer zum durchhalten und treu bleiben an die (langjährigen) Fans auffassen: „Ganz so will ich sein will mich beständig verändern/ doch eines Tags komm ich zu dir nach Haus / Wart auf mich im ewigen Garten / Was auch immer geschieht, wohin auch immer ich gehe / ich erinner mich immer an dich / Mag die See auch weit mögen die Berge auch hoch sein lass mich niemals im Stich / denn eines Tages komm ich zu dir nach Haus“. Allerdings wurden die Lyrics von SUBWAY TO SALLY -Texter Michael Bodenski verfasst und dürfen daher wohl nicht ganz so weitgehend ausgelegt werden. Ingo Hampf ist in diesem Lied gleich an der Fidel, Laute, Davul und Cister zu hören – bei einigen anderen Stücken hatte er ebenfalls die Lautenspuren beigesteuert. Damit gehört er zu den präsentesten Gastmusikern – wie SUBWAY TO SALLY insgesamt. Volle drei Stücke stammen von den Potsdamern und stehen damit einem ELUVEITIE-Stück, drei Songs von Elephant Music, zwei alten Liedern und gerade einmal vier neuen FAUN-Kompositionen gegenüber.
Abgesehen vom letzten Stück sind die 13 Songs auf „Von den Elben“ allesamt fast schon zu eingängig und bieten nur wenig Widerstand. Sie sind ohne Zweifel professionell produziert, allerdings meist zu dick aufgetragen. Nur selten erspäht man unter den vielen Klangspuren noch ein Stück Waldboden – der erdige, natürliche Sound ist dem Album leider verloren gegangen. Immerhin die griffige Drehleier und die Harfen-Highlights sorgen für etwas Struktur im Sound und dafür, dass es nicht völlig glatt wirkt. Die Neuaufnahmen der alten FAUN-Stücke hätte es nicht wirklich gebraucht, aber gerade diese sorgen dafür, dass das Album sich das gewohnte Flair noch etwas bewahrt und wirken daher fast schon entschuldigend. Ein weiteres Manko: Ganze fünf Songs müssen ohne Percussion von Rüdiger Maul auskommen, den ein gängiges Popschlagzeug nicht einfach ersetzen kann. Auch die Elektronikparts wurden stark zurückgenommen.
Insgesamt fehlt das „Pagan“ und hat Platz für Klischeemittelalterromantik gemacht. Ob es sich dabei wohl um eine eigenständige Entwicklung handelte, oder ob das neue Label Koch Universal Music die Finger mit im Spiel hatte, die ihre musikalische Bandbreite als „von den KASTELRUTHER SPATZEN und SEMIO ROSSI über MICHELLE bis zu NINA HAGEN“ reichend beschreibt? Die Frage, die man sich da abschließend stellen muss: Passen die Münchner Paganfolk-Individualisten da wirklich dazu?
Persönliches Fazit: „Von den Elben“ ist nicht schlecht, aber hart an der Grenze. Das schönste an dem Album ist das Promofoto von Niel Mitra – und ich freue mich bereits jetzt auf die nächste Scheibe von FOLK NOIR.
Anspieltipps:
Von den Elben
Schrei es in die Winde
Andro
Tracklist
01. Mit dem Wind
02. Diese Kalte Nacht
03. Von den Elben
04. Tanz mit mir
05. Schrei es in die Winde
06. Wilde Rose
07. Wenn wir uns wiedersehen
08. Bring mich nach Hause
09. Welche Sprache spricht dein Herz
10. Andro II
11. Minne Duett
12. Thymian und Rose
13. Warte auf mich