Der König ist tot – es lebe die Musik! Nach dem überraschenden Tod von TANGERINE DREAM Mastermind Edgar Froese im Januar 2015 hätte man meinen können, dass eine der prägendsten Bands der internationalen Elektronik- und Synthi-Musik damit Geschichte sei. Doch die Band ist weder tot noch hat sie ihren Gründer vergessen, der, wie er es selbst ausgedrückt hätte, schließlich nur „seine kosmische Adresse geändert hat“. Dass das Projekt TANGERINE DREAM nach wie vor höchst lebendig ist, konnte man bei einer emotionalen Vernissage anlässlich von Froeses erstem Todestag im Haus der Berliner Festspiele erleben.
Organisiert wurde das Event vom bandeigenen Label Eastgate Music unter Federführung von Edgars Witwe Bianca Froese-Acquaye. Neben von Edgar komponierten, „Zoom-O-Graphics“ genannten, Fotocollagen gab es auch Bilder aus Biancas eigener Acryl-Serie „La Divina Commedia“ zu sehen. Während letztere wie ein farbenfroher Stilmix aus verschiedenen indigenen Kunsttraditionen wirken, muten die am Computer entstandenen, ebenfalls sehr bunten Collagen – passend zum Sound von TANGERINE DREAM – futuristisch und surreal an. Ebenso passend dazu der Titel von Froeses Autobiographie „Begegnung mit Salvador Dalí“, aus der Bianca beim ersten offiziellen Programmpunkt drei Passagen vortrug, eingeleitet von einem wunderbaren Sopransaxophon-Solo des langjährigen TD-Mitglieds Linda Spa. Durch die zahlreichen internationalen Gäste – TANGERINE DREAM waren und sind im Ausland bis zum heutigen Tag um einiges erfolgreicher als hierzulande – wurde jede Passage anschließend noch einmal eins zu eins in der englischen Übersetzung gelesen, was leider gegen Ende etwas ermüdend aufs Publikum wirkte. Natürlich waren die Gäste gekommen, um Edgar Froese Tribut zu zollen, viele warteten aber ungeduldig auf die Musik.
Angekündigt waren Solokonzerte der letzten drei verbliebenen Mitglieder von TANGERINE DREAM. Die studierte Violinistin Hokisho Yamane spielte zuvor beim Brandenburgischen Staatsorchester und war unter anderem bereits mit JANE BIRKIN auf Tour. Der in London lebende Ulrich Schnauss war erst 2014 zur Band gestoßen und zuvor Mitglied mehrerer Elektronik- und Independent-Projekte. Bekannt ist er vor allem durch Film- und Fernsehmusik (u.a. CSI: Miami) und
Remixes für Bands wie COLDPLAY, DEPECHE MODE oder DEATH CAB FOR CUTIE. Beide lieferten ein beeindruckende wenn natürlich auch sehr reduzierte Solo-Performance ab, bevor anschließend Thorsten Quaeschning, TD-Mitglied seit 2005, mit seiner eigenen Formation PICTURE PALACE MUSIC die kleine Bühne beinahe sprengte. Die Band spielte ein energiegeladenes Set, das für manchen TANGERINE DREAM Puristen im Publikum allerdings wohl etwas zu gothic-lastig gewesen sein dürfte.
Während des ganzen Abends hatten die Gäste Gelegenheit, Lose für eine Tombola zu erwerben, bei der es nicht nur einige der ausgestellten Kunstwerke zu gewinnen gab, sondern deren Erlöse auch einem ganz besonderen Projekt zu Gute kommen sollen: dem Tangerine Dream Klang-Museum „Tangaudimax“. Der Plan für dieses interaktive Museum stammt von Bianca Froese-Acquaye. Es soll nicht nur die Geschichte der Band dokumentieren (unter anderem mit Themenräumen, einer Instrumentenausstellung und holographischen Konzerten) sondern auch auf die Geschichte der elektronischen Musik allgemein eingehen und etwa Musik-Seminare und -Workshops für Jugendliche anbieten.
Entstehen soll das Ganze in Berlin, in der Hauptsache finanziert durch Sponsoring und Spenden. Zudem gehen zwanzig Prozent aller künftigen Verkäufe des TD-Bandshops direkt in das Projekt. „Aber wir wollen natürlich auch versuchen, die Stadt Berlin mit ins Boot zu holen“, erklärt Bianca und setzt lachend hinzu: „Alles in allem werde ich in den nächsten Monaten jedenfalls eine ganze Menge zu tun haben.“
Das Andenken an ihren verstorbenen Mann will sie aber nicht nur durch das Museumsprojekt in Ehren halten, sondern auch durch das Fortbestehen der Band, zumindest was die nähere Zukunft angeht. „Ja, die Band wird es weiter geben, bestehend aus den drei Leuten, die von der letzten Besetzung noch übrig sind“, bestätigt Bianca. „Alle Beteiligten haben sich für die nächsten zwei Jahre verpflichtet. Der Grund ist der, dass Edgar einfach noch so viele Kompositionen für TANGERINE DREAM in der Schublade hatte, von denen er wollte, dass sie erscheinen. Und zum anderen wollen wir auf jeden Fall noch eine Tribute-Tour für Edgar realisieren.“
Davon, dass die Band auch in der Trio-Besetzung bühnentauglich ist, konnten sich die Anwesenden im Haus der Berliner Festspiele selbst überzeugen, als Hoshiko, Thorsten und Ulrich zum Abschluss des Abends unter großem Jubel noch ein unangekündigtes TD-Set zum Besten gaben.
(Mehr Bilder von diesem Event findet Ihr in unserer flickr-Gallerie.)